Freitag, 13. November 2015

"Spectre" und das Problem mit der Bond-Kontinuität

Spectre ist zweifellos kein schlechter Bond, es ist allerdings durchaus nachvollziehbar, wieso die Kritiken teilweise relativ schlecht sind.

Einerseits versucht Spectre, die letzten drei Bonds – also die drei Filme seit dem Reboot des Franchise mit Daniel Craig – zusammenzuführen, gleichzeitig aber, klassische Bond-Themen aus der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen – im Speziellen, indem man den Erzfeind Bonds aus den 70ern, Blofeld, wieder einzuführen versucht. Gleichzeitig wird aber mit der Kontinuität recht stümperhaft umgegangen.

Das Problem an der ganzen Sache ist meiner Meinung nach „Skyfall“. Kein schlechter Film, meiner Meinung nach allerdings keinesfalls so großartig, wie alle immer behaupten. Sicherlich visuell ein Wahnsinn, tolle Cinematographie, wunderschöne Bilder, allerdings ein an den Haaren herbeigezogener Plot und ein völlig lächerlicher dritter Akt. Während „Casino Royale“ und „Quantum“ im direkten Zusammenhang standen und einen gemeinsamen Antagonisten teilten, eine Verbrecherorganisation, in der Mr. White eine bestimmte Rolle spielte, war das dann in „Skyfall“ kein Thema mehr – hier wurden stattdessen neue Fronten eröffnet: Bonds Kindheit, Ms Vergangenheit wurden thematisiert, und die Sinnhaftigkeit von Spionen wie Bond allgemein in Frage gestellt. Das alles sollte nun unter einen Hut gebracht werden!

Zunächst einmal gab es während „Skyfall“ absolut keinen Hinweis darauf, dass Silva etwas mit White zu tun habe, oder es irgendeinen Zusammenhang mit den vorherigen Filmen gebe. In „Spectre“ wird das allerdings behauptet, und sogar Patrice, bisher eher als „Henchman“, also Killer eines Antagonisten erinnerlich, als wesentlicher Teil angegeben. Diese Art von Backtracking funktioniert nicht besonders gut, das war schon bei den „Star Wars“ – Prequels ein bisschen eine Katastrophe. Selbstverständlich sind zusammenhängende Trilogien gerade wahnsinnig in, weil Filmstudios gerne die Absicherung haben, dass sich das Publikum über Jahre hinweg einer Filmreihe verschreibt und brav sich alle Filme anschaut, nicht nur einen. Allerdings muss man diese dann auch im Vorhinein so schreiben, und nicht im Nachhinein versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen. Zu Skyfall komme ich später nochmals.

„Spectre“ ist jetzt prinzipiell nett, allerdings hat es das Autorenteam nicht wirklich geschafft, diese erzählerischen Zusammenhänge schlüssig zu machen. Die Drehbuchprobleme sind ohnehin legendär, seit Entwürfe davon geleakt sind und es auch einen entsprechende e-mail Konversation dazu gab. Zunächst wird versucht, Judy Dench als M nochmals aufzuwärmen, allerdings leider ohne Zusammenhang und Begründung. Tatsächlich verpufft wegen anhaltender Drehbuchprobleme die Tatsache, dass dieser Bond einer der bestbesetztesten überhaupt ist. Wieso muss Judy Dench wieder herhalten? Skyfall endet damit, dass der neue M, Ralph Finnes, Bond sagt, es sei viel zu tun. Könnte sich die Eröffnungssequenz von „Spectre“ nicht daran aufhängen? Man kann ja Bond immer noch suspendieren – politisches Bauernopfer wegen der Aufregung in Mexico, unverschuldet, und die Geschichte geht ganz normal weiter. Vorher noch Background-Info einfügen, warum Bond dem Typen in Mexico überhaupt nachstellt, und schon wirkt das Ganze nicht so an den Haaren herbeigezogen.

Einzig die Dialoge zwischen Q und 007 wirken witzig und inspiriert, Ben Wishaw und Craig könnte ich mir persönlich noch länger anschauen. Nicht mehr anschauen kann ich mir Actionsequenzen unter der Regie von Mendez – ehrlich gesagt fand ich die kurze Sequenz, in der Q aus der Seilbahn vor zwei Killern flieht weitaus spannender als die übertriebene und etwas lächerliche Flugzeug – Auto – Verfolgungsjagd auf der Skipiste. Sie erinnerte mich eher an die Taxiverfolgungsjagd durch Paris mit Roger Moore in „A View To A Kill“, allerdings fehlte die nötige Ironie, um das Ganze irgendwie funktionieren zu lassen.
Monica Belucci wirkte in dem Film total verschwendet, ebenso wie Christoph Waltz. Es machte außerdem alles einen recht gezwungenen Eindruck – die Autoren wollten offenbar wieder Blofeld, und sie wollten eine zusammenhängende Handlung, aber im Nachhinein alles zu einer großen Rahmenhandlung zusammen zu zwingen, funktioniert, wie gesagt, nicht gut. Blofeld erklärt Bond mehr oder weniger, dass er eifersüchtig ist, weil er keinen Halbbruder (Bond) wollte, weswegen er den Vater tötete, seinen eigenen Tod vortäuschte und in weiterer Folge alles dransetzte, Bonds Leben systematisch zur Hölle zu machen. Zumindest laut den eigenen Angaben. Er sei der Urheber von Bonds Schmerz, er sei der Mann, der alle seine Frauen getötet hatte und der Organisator hinter Le Chiffre, White, Greene und Silva.

Bei dieser Behauptung in einem Monolog bleibt es dann auch, und es geht weiter mit dem Plot, dass die Weltgeheimdienste zusammengelegt werden, um umfassende Sicherheit zu garantieren – aber Spectre steckt in Wahrheit dahinter. Abgesehen davon, dass es absolut lachhaft ist zu glauben, dass in irgendeiner Realität, in irgendeinem der unendlichen Paralleluniversen die Russen jemals mit den Briten und Amerikanern sich einen Geheimdienst teilen – egal. Zurück zur Behauptung Blofelds, er stecke hinter allem.
In Casino Royale und Quantum lasse ich mir das ja noch einreden. Mr. White tritt als Mittelsmann einer Organisation auf, die nie wirklich greifbar zu sein scheint, sogar den Leibwächter von M unter Kontrolle hat und via Dominic Greene sogar den Einfluss hat, ganze Weltregionen unter Kontrolle zu halten. Spectre? Warum nicht! Dieses diffuse Feindbild gefiel mir persönlich sehr gut, und ich weiß, dass alle Quantum hassen, ich halte ihn für einen großartigen Film. Marc Forster hat es halt mit dem Schnitt ein bisschen übertrieben, und er hat nicht den „Bond-Style“, aber wenn man sich den Film fünfmal anschaut und manche Szenen vielleicht in Zeitlupe, ergibt er wunderbaren Sinn.
Skyfall hingegen bietet zum ersten Mal seit Pierce Brosnan wieder einen klassischen Antagonisten, kein diffuses Netzwerk mit einem unklaren Feindbild, sondern den einen Hauptbösewichten, der sogar eine eigene Insel hat, ein bisschen wie in „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Q ist wieder da, Moneypenny wird vorgestellt, am Ende gibt es wieder einen klassischen M in seinem altmodischen Büro, und der Film macht alles, um den Fans entgegenzurufen: „Hey, wir werden wieder klassisch!“ Keine Rede mehr von Quantum, keine Rede von Spectre, das Motiv Silvas war Rache gegen M, und es hat bei dem völlig an den Haaren herbeigezogenen Plot keinen einzigen Moment gegeben, an dem man dachte, es könnte sich jetzt um einen Teil eines größeren Plans handeln, in dem Spectre eine Rolle spielt.

Das also einfach ohne weitere Erklärung im nächsten Film zu behaupten, ist einfach schwach. Und das ist der Punkt, an dem es hakt bei „Spectre“. Man hätte „Skyfall“, auf den ohnehin alle total stehen, einfach in Ruhe lassen können und auf die ersten beiden Craig-Bonds hinweisen können, das hätte noch halbwegs funktioniert, aber unbedingt „Skyfall“ ins Schema pressen zu wollen, wo er doch gar nicht reinpasst, ist sehr unglücklich.
Das Problem an der ganzen Sache ist, dass „Skyfall“ der designierte „Jubiläums-Bond“ war. Das Franchise feierte seinen 50. Geburtstag, der finanzielle Aspekt (MGM Pleite) war überstanden, also wollte man alles ein bisschen klassischer und gab ihm sogar aus völlig unsinnigen Gründen den klassischen Aston Martin DB5 aus „Goldfinger“, was aus Kontinuitätsgründen komplett sinnlos war. „Skyfall“ ist also im Daniel Craig Bond-Canon „the odd one out“, der Unpassende. Man kann nicht die Kontinuität der Filme über den Berg hauen, weil man den Bond-Fanboys und Klassikfeteschisten etwas zum Jubeln geben will, und dann aber so tun, als wäre das alles ohnehin ganz normal. Oder man kann es tun, aber es dabei belassen, und nicht im Nachhinein behaupten, dass eh alles zusammengehört.

Aber gut, der Schaden ist angerichtet. Das Problem bei Bond ist nun einmal, dass man die Erwartungen erfüllen muss, ich erinnere an den Aufschrei bei Casino Royal mit „oh nein! Bond sagt, es ist egal, ob der Martini geschüttelt oder gerührt ist!!!!11!“ und Quantum mit „oh nein! Der Film ist so schnell geschnitten und Martini trinkt er auch gar keinen mehr!!einself!“ und Skyfall „OMFG Bond trinkt ein Heineken, das geht doch gar nicht!!11!!1!“, also stehen die Drehbuchautoren offenbar unter dem Zwang, eine Checkliste abzuarbeiten, was er alles machen muss – komme was wolle, und wenn das Resultat ein ziemliches Durcheinander ist, darf man sich nun einmal wirklich nicht wundern. Ich habe ehrlich gesagt kein Problem damit, wenn Bond ein bisschen mehr wie Bourne wird, ein bisschen realistischer und mit einem schlüssigen Plot. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass der Trend ohnehin mehr in Richtung Realismus geht. Bourne ist ein gutes Beispiel, aber auch Filme wie Gravity, in dem in jeder Hinsicht versucht wird, das Umfeld und die Geschichte so schlüssig wie möglich darstellen zu lassen, insbesondere war die physikalischen Gegebenheiten betrifft.

Und dann das Ende von Spectre. Ich glaube, ich war nicht der einzige, der etwas verwirrt war, als der Film endete. Bond hört auf? Wie soll das Franchise weitergehen? Und es geht zweifellos weiter, immerhin ist Bond eine eigene Industrie für sich. An sich ist Blofeld in die Reihe neu eingeführt, er lebt, Bond fährt mit der Frau im Aston Martin DB5 davon, den er sich vorher von Q abholt. Wieso kann Bond eigentlich im MI5 ein- und ausgehen und sich einfach Sachen holen, wenn er offenbar gar nicht sollte?
Ich habe das Script nicht gelesen, allerdings die Kollegen von „birthmoviesdeath.com“, und die geben an, dass Bond zuletzt zu Léa Seydoux sagt: „We have all the time in the world“. Wunderbar, damit ist das Rätsel gelöst, denn dieser Spruch steht immerhin auf Teresa Bonds Grabstein in „For Your Eyes Only“. Wir wissen also, das Franchise geht weiter, Blofeld wird irgendwie entkommen, sie töten (lassen), Rache Rache Rache, geil. Schade, dass der Satz entfernt wurde. Schade, dass Daniel Craig offenbar nicht mehr will. Schade, dass das Script Christoph Waltz so uninteressant machen ließ, dass sich die Frage stellt, ob er noch einmal Lust hat, den Blofeld zu geben. Hier endet die Geschichte an einem Punkt, in dem man vielleicht doch noch eine befriedigende Geschichte weiterspinnen könnte, allerdings wird es mit einem neuen Bond eher schwer. Also doch die Frage, wie es mit dem Franchise weitergeht.


Mein Rat an Barbara Broccoli: Lass Tarantino den 50er- Jahre schwarz-weiß Bond drehen, der im Vorfeld von „Casino Royale“ geplant war. Nehmen wir ein bisschen Abstand von der Sache und überlegen uns, wie es schlüssig weitergehen könnte. Und: Vielleicht machen wir ja zuerst ein Konzept für ein paar Filme, anstatt von Film zu Film vorzupreschen, und nachher dann versuchen, alle zu verbinden. Denn das endet nie besonders gut.

Dienstag, 16. Juni 2015

Jurassic World

Jurassic Park ist einer meiner all-time-Lieblingsfilme. Und nicht nur als Kind, 1993 war ich zarte 6 Jahre alt, das erste Mal habe ich ihn mit 9 oder 10 gesehen, sondern immer noch. Todtraurig war ich, als vorletztes Jahr Österreich beim weltweiten 3D-Re-Release von Jurassic Park ignoriert wurde, weil es für mich die einzige Chance gewesen wäre, den Film einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Insofern war mein Verhältnis zum neuen Film "Jurassic World" von Colin Treverrow von Anfang an etwas schwierig.

Erstens sind sämtliche Sequel-Versuche bisher kläglich gescheitert. "Lost World" fand ich bereits als Dino-begeistertes Kind unglaublich schlecht, "Jurassic Park 3" zwar eine Spur besser, aber für mich eher eine qualitativ bessere Direct-to-DVD oder Fernsehproduktion. Wie dumm bitte war "Lost World"? Alleine die Szene, wo sie im Trailer hängen, der gerade vom T-Rex über die Klippe geschubst wurde, und dann witzeln sie dumm herum, aber so viel will ich gar nicht mehr über den Film nachdenken.

Jetzt also Jurassic World, und nach den Enttäuschungen war die Gefahr natürlich durchaus gegeben, dass der Film der nächste Tiefpunkt wird. Vor allem, weil die Anzeichen alles andere als vielversprechend waren. Chaotische Verhältnisse um was-weiß-ich-wie-viele Drehbuchautoren, erinnerte mich an "World War Z", der ja eine einzige Enttäuschung war, vor allem, wenn man das geniale Buch gelesen hat. Ein für viele oberflächliche Filmfreunde, wie ich einer bin, eher unbekannter Regisseur. Und Chris Pratt als Protagonist war mir bis dato ebenfalls unbekannt. Und, ganz furchtbar, schon wieder Kinderdarsteller. Ich weiß, das klingt jetzt sicher super kinderfeindlich, aber Kinder sind in Blockbustern meistens der Tiefpunkt. Ganz entsetzlich war Ian Malcolms Tochter in "Lost World", Lex und Tim aus "Jurassic Park" sind mir auch mehr auf die Nerven gegangen, vor allem, weil sie Tim in einer Szene dumm und nutzlos erscheinen lassen, als Alan und Ellie im Kontrollraum damit kämpfen, die Türe vor dem Raptor zuzuhalten und es nicht schaffen, die Waffe, die am Boden liegt, zu erreichen, Lex ist damit beschäftigt ist, das Computersystem wieder anzuwerfen, und Tim steht einfach nur daneben, hüpft blöd herum und ist nervös, JETZT GIB IHNEN DOCH DIE VERDAMMTE WAFFE oder mach einfach irgendwas! Naja, das ist so mein Problem mit Kindern in Blockbustern, sie verhalten sich teilweise extrem dämlich und dann dürfen sie nicht einmal sterben. Auch nicht, wenn sie zu dumm sind, über einen Zaun zu klettern und 10.000 Volt abbekommen. Sam Jackson durfte nicht einmal zum Sicherungskasten, ohne von Raptoren gefressen zu werden.

Aber dann, Jurassic World. Colin Trevorrow inszinierte einen wirklich guten Sommerblockbuster und bettete die Geschichte in einem in sich schlüssigen Universum ein, in dem Jurassic Park stattgefunden hat. Er machte dabei auch das einzig Richtige: Ignorieren wir die furchtbaren Sequels, lassen wir genug Zeit vergehen und bauen wir alles neu auf. Er erzählt die Geschichte, dass nach dem Unglück im Jurassic Park vor über 20 Jahren alles neu aufgebaut wurde - größer, besser, sicherer. Man hat außerdem aus den Fehlern gelernt! Erinnert ihr euch noch, dass der T-Rex bei der Probe damals nicht kommen wollte, als man ihm die Ziege vorgesetzt hat? Jetzt liegt ein bengalisches Feuer, eine Leuchtfackel daneben (schöne Referenz zu einer der besten Szenen der Filmgeschichte, die mit dem T-Rex und den Autos) und der T-Rex kommt sofort. Der alte Jurassic Park, das alte Besuchergelände, das wir von früher kennen, liegt auf der Insel in einer Art Sperrgebiet. Alles neu, alles gut. Trotzdem ist sich Trevorrow des Erbes bewusst - und wird auch nicht müde, auf den großartigen Originalfilm anzuspielen. Hier ist ein Video mit allen "Jurassic Park" Referenzen in "Jurassic World".

Über die Handlung ist hinlänglich sowieso alles bekannt - kapitalistisch, wie unsere Welt ist, muss man für immer bessere Attraktionen sorgen, damit man die Besucher ins Kino, ich meine, den Park kommen. "Dinosaurier alleine funktionieren nicht mehr", heißt es im Film. Also züchten sie einen Hybriden, ein wahres Monster. Der kann sich leider supertoll tarnen und aus dem Gehege ausbrechen, und schon geht das Spaß los.

Währenddessen bekommt die stereotypische Karrierefrau, Managerin oder so von Jurassic World namens Claire, Besuch von ihren Neffen. Dabei interessiert sie sich doch gar nicht für Kinder, weiß auch gar nicht, wie alt sie sind und hat auch gar keine Zeit für sie. Typische böse Karrierefrau, wie kann man bloß seine Karriere über Kinder stellen, und das noch als Frau! Stattdessen werden die Kinder an die englische Assistentin abgeschoben, die auch wenig Interesse an den Kindern hat. Allgemein scheint in diesem Film niemand großes Interesse an den Kindern zu haben, und wie ich vorher auch schon dargestellt habe, hab ich auch kein großes Interesse an weiteren austauschbaren Kinderdarstellern in einem Blockbuster. Interessanterweise haben zunächst auch die Kinder kein großes Interesse aneinander, der ungefähr 16jährige interessiert sich für Mädchen, und sein kleiner Bruder, der offenbar leicht authistisch ist oder einfach einen Zahlenfetisch hat, interessiert sich für die Dinosaurier. Und Zahlen. Als die Situation natürlich beginnt, sich einzutrüben in Jurassic World, halten die Brüder aber zusammen und unterstützen einander - und dieser Handlungsbogen war nicht nur schlüssig, sondern auch wirklich gut gemacht. Es war nett anzusehen, wie der große Bruder die Beschützerrolle annimmt, und das ganze kommt ganz ohne peinliche Dialoge wie "Vegitariosaurus! Vegitariosaurus!" - "Vegitariosaurus?" aus, wie in Jurassic Park. Es war authentisch, und einfach gut gemacht. Der Kleine ist verzweifelt, weil er checkt, dass die Eltern sich scheiden lassen, und der Große versucht ihn aufzumuntern, das war einfach nett. Dass sein Aufmunterungsversuch die beiden in große Gefahr bringt, ist eine andere Sache.  Ich persönlich war zum ersten Mal nicht ausschließlich genervt von Kindern auf der großen Leinwand, und das ist echt ein sehr angenehmer Fortschritt.Außerdem sind ein paar Szenen mit den Kindern wirklich witzig, und nicht peinlich-witzig, sondern lustig-gut-witig. "Witty", wie es der Amerikaner sagt. Originell, geistreich.

Und wie gesagt, dunkle Wolken ziehen auf in Jurassic World, als der Killerdinohybride ("Indominus Rex") zuerst das eilig geschickte Sicherheitsteam ausschaltet, dann die Kinder, die gerade mit einem Glasgyroskop unterwegs sind, attackiert - die entkommen gottseidank, und gottseidank ist hier wirklich ernst gemeint - dann andere Dinos tötet - wo dann auch die mitterlweile mit Chris Pratt auf der Suche nach den Neffen befindliche kalte und kinderunfreundliche Karriere- Claire draufkommt, dass die Dinosaurier Lebewesen sind und keine Objekte, und in einer Verkettung von Sebstüberschätzung, Inkompetenz und schlechtem Krisenmanagement werden dann noch beißwütige Flugsaurier freigelassen und attackieren die Besucher von Jurassic World. Na da gehts dann natürlich ordentlich zur Sache. Der Antagonist, gespielt von Vincent D'Onofrio, sie kennen ihn vielleicht noch aus "Full Metal Jacket", als er die Fliesenwand mit seinem Gehirn tapezierte, möchte die Raptoren, mit denen Chris Pratt gearbeitet hat, als Waffe gegen den Amokdino einsetzen. Dem gefällt das natürlich überhaupt nicht, auch, weil er offenbar als einziger bisher die Raporen als unkontrollierbare Lebewesen einschätzt. aber er fügt sich dann doch und sie lassen die Raptoren frei. Das war bisher in keinem der Jurassic Park Filme eine gute Idee, aber was solls. Und sie machen sich auf die Jagd nach dem Riesending, und sie finden es, Chris Pratt, vier Raptoren und ein Team von schwer bewaffneten Söldnern, und große Überraschung, das Riesending kann mit den Raptoren kommunizieren und sie akzeptieren ihn quasi als neuen Alpha. Das sind natürlich ganz schlechte Nachrichten für alle, wie sie da mit gezogenen Waffen im Wald stehen, weil wenn sich heute ein Raptor gegen dich wendet, sind deine Chancen jetzt nicht so super. Gefecht, eilige Evakuierung, alle stürmen zurück ins Labor, wo Vincent D'Onofrio vom Raptor zunächst in die Hand gebissen wird (would you bite the hand that feeds?) und am Ende entscheiden sich die Raptoren dann doch, auf der Seite von Herrl Chris Pratt zu sein und wenden sich gegen den Indominus Rex, den Killerhybriden. Weil das aber nicht ausreicht, befreien sie noch den T-Rex. Und den Todesstoß gibt ihnen dann der coole Wasserdino ausm Trailer, der den Hai frisst. Ende! Wunderbar.

Wie gesagt, ein sehr unterhaltsamer Sommerblockbuster, gut gemacht, tolle special effects, aber auch gute Leistung der SchauspielerInnen. Ja, natürlich sind die Charaktere teilweise etwas eindimensional und stereotypisch, ja natürlich stellt sich prinzipiell die Sinnhaftigkeit nach einem Freizeitpark mit blutrünstigen Dinosauriern. Aber - wie gesagt - in sich geschlossen in der Realität von Jurassic Park funktioniert Jurassic World wirklich gut. Dass der Laborchef aus Jurassic Park, Henry Wu, diesmal eine größere Rolle hatte, fand ich großartig, hier wird direkt an die Geschichte des ersten Films angeschlossen - und eine sehr schlüssige Rahmenhandlung, die zwischen den beiden Filmen stattfindet, ist ebenfalls etabliert.

Negativ empfand ich einzig und allein teilweise etwas fehlende Dramatik von einer filmmacherischen Perspektive. Teilweise tauchte dieser Indominus Rex auf, ohne, dass hier die Spannung aufgebaut wurde, das fand ich schade. Zitternde Wassergläser wie in Spielbergs Jurassic Park kann man hier nicht erwarten.  Auch, wie die Raptoren am Ende unvermittelt einfach im Labor auftauchen. Und dann, Chris Pratt kann offenbar am Anfang mit ihnen kommunizieren und hat einen Draht zu ihnen, das wurde etabliert. Dann wechseln sie die Seiten, weil Indominus Rex offenbar mit ihnen kommuniziert. Und am Ende wecheln sie wieder die Seite und bekämpfen mit Chris Pratt den Indominus?! Das war ein bisschen komisch. Entweder sind die Raptoren die Opportunisten des Dinosaurieruniversums, oder die vielen Drehbuchautoren, die am Drehbuch beteiligt waren, wussten am Ende schlichtweg nicht, wie man die Protagonisten aus dem Schlusschlamassel befreien soll. Wie auch immer.

Etwas negativ man auch die Handlungsfolge sehen, die zum Ausbruch von Indominus Rex führt. Es erscheint unlogisch, dass man Hinz und Kunz ins Gehege lässt, bevor man den Ortungschip konsultiert. Und als man dank des Chips herausfindet, dass er eh im Gehege ist, machen sie dann vor lauter Panik die Tür auf, naja. Das erscheint mir schon ziemlich dumm. Und wieso gibt es in Jurassic World keinen Hubschauberpiloten außer dem schwerreichen Besitzer, der offenbar sehr unerfahren und auch nicht besonders gut ist, wie es etabliert wird? Kein Wunder, dass er den Heli flugs ins Vogelhaus stürzen lässt und die wütenden Raubdinos loslässt. Wozu aber zu sagen ist, dass der Weg dahin schon sehr witzig ist. ("They don't need someone else!") Und im Endeffekt ist der Film auch sehr spannend, aber trotzdem. Geht man davon aus, dass das alles superorganisierte Vollprofis sind, die seit 20 Jahren mit Dinosauriern arbeiten, sollten solche Dinge eigentlich nicht passieren.

Der epische Schlusskampf zwischen den Dinosauriern wurde von Kritikern als "too much" und "over the top" bezeichnet, ich halte einen too much over the top CGI epic Dino-battle am Ende von Jurassic World, dem Sommerblockbuster 2015, für sehr angebracht und möchte auch sogleich empfehlen, ihn sich anzusehen. Einzig die Art und Weise, wie Claires Assistentin getötet wurde, war für meinen Geschmack "too much" und "over the top". Hat sie es wirklich verdient, auf so sadistische Art und Weise zu sterben? Sie hat ja nichts verbrochen. Ich meine, ja, sie hat die Kinder aus den Augen verloren, und hatte kein großes Interesse daran, Babysitter zu spielen, aber die Arme hat sicher ein sauteures Wirtschaftsstudium abgeschlossen, damit sie einen mies bezahlten Assistentenjob bei inGen bekommt, wo sie weit weg von zu Hause, England, in Costa Rica, umzingelt von Dinosauriern Babysitter spielen muss? Meine Güte, da wäre ich auch nicht gerade begeistert. Ihr exklusiv eine Szene zu widmen, in der sie zuerst von Flugsauriern in die Höhe gerissen, dann ins Wasser geraucht und schlussendlich vom Wasserdino gefressen wird, halte ich für sehr grenzwertig. Wieso hat man bei Vincent D'Onofrio nur gesehen, wie der Raptor in die Hand beisst und dann nichts mehr außer ein paar Blutspritzern an der Wand, wahrscheinlich wegen der Altersfreigabe. Hier sieht man es also, sadistisches Foltern ist ok, schnell zerfetzt werden zeigen wir bitte nicht.

Nichts desto trotz: Empfehlung, Empfehlung, Empfehlung und 658 von 712 möglichen Punkten! Viel Spaß!

Sonntag, 14. April 2013

What would the Terminator do?

Nach längerer Zeit habe ich gestern wieder einmal "Terminator" gesehen - und auch wenn alle von "Terminator 2 - Judgement Day" schwärmen, ist der erste Film eindeutig mein Lieblingsfilm der Reihe.

Das lässt sich auch relativ einfach argumentieren: "Terminator" ist als B-Movie gedreht worden und schert sich einen Dreck über Konventionen und gängige "Regeln" der Mainstream-Hollywood Filme und zeichnet sich durch teilweise gnadenlos brutale Szenen aus - und so sollte es auch sein, wenn eine Maschine auftaucht, dessen einziger Zweck es ist, Menschen zu töten. "Terminator 2" kommt mir im Vergleich wie ein Kinderfilm vor (unter dem Motto "nein nein nein, böser Terminator, Menschen zu töten geht gar nicht!") und der dritte Film ist zwar nett gemacht, aber im Endeffekt auch teilweise recht unnötig. Aber die Verfolgungsjagd aus dem dritten Film, mit dem Kran war recht cool - unglaublich, dass Schwarzenegger das damals noch drauf gehabt hat.

Der erste Film war gnadenlos brutal - und das ist auch das coole daran. Heutige Actionfilme sind dagegen recht weich gespült - in welchen Filmen kommt es sonst vor, dass völlig unbeteiligte Menschen zu Schaden kommen, nur weil sie im Weg sind? Zunächst die Sarah Connors, die vor "der" Sarah Connor im Telefonbuch stehen - dann die Leute in der Disco, dem "Tech Noir", wo mindestens zwei unbeteiligte Lokalgäste erschossen werden, weil sie sich ungünstig vor Kyle Reese oder Sarah Connor aufhalten, als der Terminator das Feuer eröffnet, oder die Polizisten, die bei der Schießerei in der Polizeistation erschossen werden, als sie versuchen sich zurückzuziehen, zu fliehen oder sich hinter Möbeln oder Wänden zu verstecken. Das zeigt einfach eine kompromisslose Killermaschine. Man kann nicht mit ihm verhandeln, man kann nicht mit ihm reden, oder, wie Kyle Reese im Verhör mit Dr. Silverman sagt, "er wird alle beiseite schieben" um sie zu töten. Deswegen passt hier auch die gnadenlose Brutalität zum Film, zum Antigonisten, und das macht auch die Spannung des Filmes aus, denn man weiß, sobald der Terminator wieder auf Sarah Connor und Kyle Reese trifft, wird erbarmungslos gekämpft bis zum bitteren Ende. Und ich muss sagen, als ich den Film gestern zum sicherlich fünfzehnten Mal gesehen habe, ich finde ihn immer noch genauso faszinierend und spannend wie beim ersten Mal.

Übrigens gibt es einen bedauerlichen Synchronisationspatzer: In der Szene, in der der Terminator im Polizeiwagen den Funkspruch absetzt, verwendet er in der Originalversion die Stimme des Polizisten, dem er vorher den Wagen abgenommen hat. Synchronisiert verwendet er einfach seine eigene Terminatorstimme. Schade.

Die zweiten Filme sind im Vergleich zum ersten recht weich - vermutlich hat man deshalb auch immer einen zweiten Terminator als Feind etabliert, so kann Schwarzenegger wenigstens dem gegenüber kompromisslos brutal sein. Komischerweise ist aber im zweiten Film, dem Kinderfilm, der T-1000 relativ soft unbeteiligten Personen gegenüber, während der T-X aus Terminator 3 wiederum brutaler wird - deshalb gefällt mir vermutlich auch der dritte Teil besser als der zweite. Immerhin wird, wenn ich mich recht entsinne, vom T-X zunächst eine Frau wegen ihres Lexus getötet, dann vermutlich der Polizist wegen seiner Waffe, natürlich die zur Vernichtung ausgesuchten Ziele, darunter ein Teenager, fast noch ein Kind, ein Polizist wird von ihrem Arm durchstoßen, ein anderer totgeprügelt, und als sie die T-1 infiltriert, laufen die Amok und töten relativ viele unbeteiligte Leute. Endlich wieder eine kompromisslose Killermaschine, endlich ein echter Terminator! Trotzdem hat die düstere Grundstimmung gefehlt, was schade ist, aber wenn man Arnold Schwarzenegger mit einem eindeutig homosexuellen Stripper herumspaßen lässt und ihn die Sternchenbrille aufsetzt, fehlt das gewisse Etwas an Bedrohung im Film.

Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus! Gestern lief Terminator 1, und ich begann mich mit zwei Dingen auseinanderzusetzen: erstens: wer ist John Connors ursprünglicher Vater? Und zweitens: Was würde der Terminator tun, wenn sein Attentat auf Sarah Connor gelungen wäre?

Zunächst möchte ich übrigens klar stellen, dass ich nie "The Sarah Connor Chronicles" gesehen habe - sollte in der Serie die Handlung weiterentwickelt werden oder die von mir hier diskutieren Fragen beantwortet werden, dann tötet mich bitte nicht!

Also, wer ist John Connors Vater? Klar, im Film heißt es ja, Kyle Reese sei der Vater, und so weiter. Aber: Ursprünglich kann Kyle Reese nicht der Vater von John Connor sein, denn Reese ist eindeutig jünger als John Connor. In Terminator 1 heißt es ja, er sei nach dem Krieg in den Ruinen aufgewachsen. John Connor hingegen war da schon auf der Welt.

Nehmen wir die ursprüngliche Timeline her, quasi den Beginn der Sache. Man müsste davon ausgehen, dass John Connor der Sohn von Sarah Connor und einem Unbekannten ist, den Krieg überlebt, die Resistance aufbaut, den Krieg gewinnt und einen seiner Soldaten, Kyle Reese, auf die Mission in die Vergangenheit schickt, um seine Mutter zu beschützen. Dadurch wird die Vergangenheit freilich signifikant verändert - allerdings entstehen so einige paradoxe Situationen. Anstatt einem Unbekannten wird nun Kyle Reese der Vater, und Sarah Connors Leben verändert sich von Grund auf. Kyle erzählt Sarah, dass ihre Leistung es war, John das kämpfen und organisieren beigebracht zu haben, uns dass sie ihn von Kindheit an vorbereitet habe, und sie sich bereit gehalten haben für den Tag X. Das wäre aber nur möglich, wenn sie das Wissen über den Tag des jüngsten Gerichts schon gehabt hätte, als John auf die Welt kommt. Daraus folgt: damit John Connor überhaupt zu einem Anführer des Widerstandes werden kann, muss Sarah Connor das Wissen haben, dass es den Tag des jüngsten Gerichts geben wird und John darauf vorbereitet. Folglich muss Kyle Reese John Connors Vater sein, in jeder erdenklichen Realität. Das wäre allerdings wiederum unlogisch, weil es eine Existenzgrundlage geben muss. Ja, bei solchen Zeitreisegeschichten wird mir immer ein bisschen schwindelig, wenn ich zu viel darüber nachdenke. Also denken wir mal weniger und recherchieren nach, was andere davon halten.

Zum Glück gibt es Foren. Im Forumsarchiv von "killermovies.com" fand ich folgenden Eintrag zum Thema "Terminator Paradox":

"Originally posted by raygun299 
There is no Paradox in Terminator. 
The first you have to take the evidence of chaos theory and that all things are interconnected.
The first timeline we have to look at; is the timeline of the unknown father. This unknown father is of John Conner's original father. Who died before the war or during the war. We don't know who this father is, however he must have existed for John Conner to be born. Thus allowing Johns existence, and for the war to happen, and for him to send Kyle back.
The photo of Sarah in the car; which was gives to Kyle could have been taken by the original father, who we don't see as he is taking the picture. The paradox is cleared up once the time travel element is introduced; the photo is not taken by the father but by a child. It’s just chaos theory that Kyle has the photo and falls in love with Sarah. The photo was clearly given to Kyle before he goes through time, and was destroyed before he goes through time.

In sending Kyle BACK in time John has changed is past, the future paradox is changed immediately, only the knowledge that John has now, is that he must send Kyle back through time; otherwise he wouldn't exist.

The Idea that you can send you own father back in time before you have the knowledge of a time machine is madness! They only find the time machine, after the terminator has gone through. 
So did John Conner, have Kyle at his side all the time, hoping to find a time machine so he could create his own father. It is simple chaos theory; that Kyle is chosen to travel back; he was the wrong person in the wrong place at the right time. There must have been another father, for time to play out.


The second time line is created once Kyle is sent back in time; and this is the future we are presented in Terminator, Terminator 2 and 3. They know what’s going to happen in the future, the war, skynet, Kyle, time travel and they cant stop any of them from happening; as to do so would create more and more paradoxes. 
Also people saying why not send back the T1000 or the TX back in time. The only problem there is, you can't send something back unless you know the out come of the first T800.
Kyle only knows his future, as for him the future has not changed, but for us the future has changed. 
The end of T2 states, "The future is unknown; and the only future is, one we make for ourselves". 


Da haben wir es also - man kann es einfach mittels Chaos-Theorie erkären. Wer also Jurassic Park gesehen hat, ist bei Terminator auch auf der sicheren Seite. 

Das Problem bei dieser Theorie hingegen ist die Tatsache, dass Kyle Reese offenbar von John Connor vorbereitet wird, zurückzugehen und sein Vater zu werden. Er bekommt das Foto von Sarah Connor, er muss Botschaften für sie auswendig lernen und verliebt sich offenbar in der Zukunft in sie. Also ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hätte während meines Wehrdienstes keinem meiner Kameraden ein Foto von meiner Mutter geschenkt, also gehe ich nicht davon aus, dass das etwas normales ist, was man halt so tut. Das widerspricht dann wiederum der Theorie mit dem unbekannten Vater. Denn: hätte John Connor einen Vater gehabt, der nicht Kyle Reese war, besteht auch kein Grund, Kyle mit seiner Mutter zu verkuppeln. Ich weiß, das wird durch die Chaos Theorie ohnehin erklärt, und damit, dass John in der Zukunft weiß, dass er Kyle zurückschicken muss um zu leben, aber es kommt mir nicht logisch vor.


Da ist dann noch eine Sache. Skynet entwickelt in der Zukunft die Zeitmaschine, um seinen Erzfeind John Connor zu töten bevor er auf die Welt gekommen ist, allerdings entsteht John Connor nur, weil Kyle Reese durch die Zeit kommt und John Connor zeugt. Das bedeutet, John Connor existiert nur, weil Skynet versucht hat, ihn zu töten, bevor er existiert hat? Ach Gott, mir wird schon wieder schwindelig.


Eine ganz konträre Theorie übrigens ist folgende: Sarah Connor ist am Ende des ersten Filmes schwanger, hat aber zwischen dem ersten und dem zweiten Film eine Fehlgeburt, und John ist der Sohn eines anderen. Im zweiten Film spielt John in einer Aussage darauf an, dass Sarah offenbar immer wieder mit irgendwelchen Männern geschlafen haben, bei denen sie untergekommen sind, irgendwo in der Wüste, wo sie "Scheiße in die Luft gesprengt haben". Möglicherweise ist einer dieser Männer John Conners richtiger Vater - und damit löst sich auch ein bisschen etwas von dem Paradoxon.


Ein cooles Gedankenspiel freilich ist auch die Frage, was mit dem Terminator passiert wäre, wenn Sarah Connor gestorben wäre. 


Jeder Terminator - Film endet damit, dass sämtliche Terminator vernichtet werden. Manchmal gründlicher, manchmal ungründlicher. Im ersten Teil wird der Terminator zerstampft, das Wrack wird aber geborgen und Skynet baut die komplette Forschung auf dem Restbestand des Terminator auf. Diese Wrackteile werden im zweiten Teil komplett vernichtet, ebenso wie der Terminator, der gerade zugegen war. Den Tag des jüngsten Gerichts freilich kann man nicht verhindern, weil das Pentagon trotzdem an autonomen Waffensystemen forscht. Im dritten Teil sieht man auch die ersten Terminatoren, den T-1, quasi ein vollautomatisches Raupenfahrzeug mit lafettierten Mini-Guns. Nichts desto trotz entwickelt Skynet in Terminator 4 den Terminator, der haargenau aussieht wie Arnold Schwarzenegger. Naja macht nichts. 


Worauf ich hinaus wollte: jeder Terminator wird am Ende des Filmes vernichtet. Was wäre wenn nicht?

Was wäre, wenn der T-800 Sarah Connor und Kyle Reese erfolgreich getötet hätte?

Zum Glück bin ich nicht der einzige Nerd auf der Welt, und diese Frage ist schon irgendwo im Internet diskutiert worden. Da gibt es mehrere Theorien, die mehr oder weniger sinnvoll sind. Zunächst einmal müssen wir wissen, dass sich die Terminator nicht selbst terminieren können. Außerdem sind sie sehr ausdauernd und haben durch ihre nuklearen Brennstoffzellen quasi unbeschränkte Laufzeit, und sobald die Brennstoffzellen instabil werden, explodieren sie. 


Meine Theorie ist, dass der Terminator nach erfolgreicher Mission sich bei Skynet zurückmelden muss oder so. Also einfach zur Basis zurückkehrt. Weil allerdings bis zur Entstehung von Skynet noch sehr viel Wasser die Donau runterfließt, wird er sich vermutlich irgendwo zurückziehen, den Atomkrieg möglichst unbeschadet überstehen und sich irgendwann zurückmelden, um entweder weiterverwendet oder deaktiviert zu werden.


Die drei Theorien, die mir am Besten gefallen, sind folgende:


1. Der Terminator hat, genauso wie der T-X aus Terminator 3 mehrere Ziele - Primärziel war Sarah Connor, Sekundärziel sind ebenfalls wichtige Persönlichkeiten aus der zukünftigen Resistance. Also wird er vermutlich zunächst noch auf Nummer Sicher gehen und die übrigen Sarah Connors aus dem Telefonbuch töten, dann wird er sich um die anderen kümmern. 


2. Der Terminator wäre zu Cyberdyne Systems gegangen, um seine eigene Erforschung zu ermöglichen. 


3. Skynet - folglich auch der Terminator - sieht in allen Menschen eine Bedrohung. Möglicherweise würde der Terminator einfach Amok laufen, bis er schlussendlich von Polizei und Militär gestoppt und vernichtet wird. 


Für mehr Informationen und Theorien zu diesem Thema kann ich folgenden Blog empfehlen:

http://boards.straightdope.com/sdmb/showthread.php?p=3702672&highlight=Terminator#post3702672

und für Diskussionen bin ich immer zu haben! Habt ihr eine coole Theorie zur Filmreihe? Lasst es mich wissen!

Montag, 8. April 2013

Videospielkritik: Far Cry 3

Ausnahmsweise erlaube ich mir einmal einen Exkurs von den üblichen Themen Fußball und Filme, und wage mich zum ersten Mal an eine Videospielkritik. Dafür darf gleich meine Neuerwerbung "Far Cry 3" für die Xbox360 herhalten.

Zunächst einmal zum besseren Verständnis: ich spiele gern, ich spiele, so oft es geht, aber weder besonderes exzessiv noch gut. Ich sehe mich nicht als Pro-Gamer, eher als begeisterter Amateur. Und weil ich Mitte 20 bin und kein Teenager mehr, studiere, eine Partnerin und einen Freundeskreis habe, kann es schon vorkommen, dass ich mehrere Monate lang die Xbox abgedreht lasse.

Far Cry 3 war ein Geburtstagsgeschenk von mir an mich, und seit knapp einem Jahr das erste Spiel, das ich mir gekauft habe. Begründung: Videospiele sind mir ganz einfach zu teuer, und das letzte Spiel, das ich mir gekauft habe, "Battlefield 3", war für mich eine große Enttäuschung und Geldverschwendung. Also habe ich es für gut ein Jahr bleiben lassen, mir neue Spiele anzuschaffen, und habe die Xbox nur mehr verwendet, um zum Beispiel mit der Freundin und dem Neffen "Blur" zu spielen.

Nun war allerdings seit Ende des letzten Jahres die Neugier auf den neuen "Far Cry" sehr groß. Die Grafik schien in den Trailern hervorragend zu sein, die Inhaltlosigkeit der großen Map aus dem zweiten Teil wurde auch korrigiert, man hat eine offene Welt und zigtausend Möglichkeiten, was man alles machen kann - also fad sollte es mit dem Spiel wirklich nicht werden. Denkt man zunächst.

Denn ich verstehe ja den Sinn der Sache, das "Survival"-Gefühl, dass man Tiere eigenhändig erlegen muss um überleben zu können und so weiter. Immerhin braucht man Waffengurte, Beuterucksäcke und Brieftaschen, um das viele Geld, das herumliegt, aufbewahren zu können. Aber muss man wirklich einen Hai töten, damit man eine Brieftasche herstellen kann? Braucht man wirklich zwei Bärenfälle für einen Pfeilköcher? Und wo zum Teufel findet man die verfluchten Dingos, denn vier Dingofelle braucht man, um einen größeren Beuterucksack herzustellen, und weitere vier Dingos müssen für einen Sprengstoffgürtel oder was-weiß-ich-was sterben. So wird es bald Sinn und Inhalt des Spieles, dass man auf der Karte nachschaut, wo man welche Tiere findet, hinfährt, Tiere jagt, verbesserte Ausrüstung herstellt, nächstes Tier suchen, jagen, und so weiter. Damit man überhaupt etwas auf der Karte findet, muss man die blockierten Funktürme entsperren, also sucht man die auf der Karte, fährt hin, muss sich auf den blöden Turm raufquälen, was teilweise doch recht frustrierend sein kann (Jump'n'Run Spiele waren nie so mein Fall, schon seit den 90ern nicht mehr), Turm freischalten, und ab zum nächsten. Das wird mit der Zeit etwas öde. Prinzipiell, und das ist das gute am Spiel, müsste man das ja nicht machen, es ist quasi-freiwillig, andererseits braucht man sehr wohl die Karte, um sich zurechtzufinden - also müssen die Funktürme sein, und wenn dir im Gefecht permanent Granaten und Munition ausgeht, muss dann doch die Ausrüstung verbessert werden. Also halali, nichts wie auf in die Jagd! Haifischhaut für eine Brieftasche - wenn die Spielentwickler darauf bestehen, dann bitte. Ich hätte mir da zumindest etwas mehr Realismus erwartet. Ich denke nämlich, auch aus Hundefell kann man einiges herstellen, und tollwütige Hunde attackieren einen ja eh ständig.

Das Piratenthema auf einer schönen Insel ist natürlich recht nett gewählt, weil auch ziemlich aktuell, stimmungsmäßig ein Wahnsinn, Wahnsinn ist auch ein gutes Stichwort, denn der Oberbösewicht, Vaas, ist ein ziemlich wahnsinniger Typ. Eigentlich der coolste Antigonist, den ich bisher in einem Spiel gesehen habe. Ich kann da keine Vergleiche mit Far Cry 2 ziehen, weil ich das Spiel ehrlich gesagt nie fertig gespielt habe; ewig langes herumfahren in der Wüste und das Räumen von den immer gleichen Checkpoints war mir auf Dauer zu mühsam, also habe ich irgendwann während des zweiten Aktes damit aufgehört und nicht mehr weitergemacht. Aber zurück zu Vaas: cooler Bösewicht, leider zu inflationär im Spiel eingesetzt. Ich meine, es gibt kaum eine Hauptmission, bei der Vaas nicht vorkommt und die nicht damit endet, dass Vaas dich umbringen will und du entkommst. Beim nächsten Mal dann, "ich dachte ich hätte dich schon getötet" und er versucht es gleich noch mal. Schon wieder entkommt man. Dann kommt das Thema "Wahnsinn ist, immer das selbe zu tun und etwas anderes zu erwarten und ich, Vaas, bin nicht wahnsinnig, also töte ich dich nochmal aber erwarte, dass du stirbst" und schon wieder entkommt man - Freunde der Berge, das ist echt mühsam. Und irgendwann ist Vaas endlich tot, und plötzlich müssen wir auf eine andere Insel, weil sich herausstellt, dass Vaas gar nicht der Oberbösewicht, sondern ein Handlanger war... what the fuck? Das ist dann doch etwas enttäuschend. Zuerst hast du einen Nemesis, der die ganze Zeit quasi da ist, und dann stellt sich heraus, dass er gar nicht der Nemesis ist sondern ein gewisser Hoyt, von dem vorher nicht viel zu sehen oder hören war... meh.

Wieso konnte Vaas nicht der Oberbösewicht sein, aber wir müssen ihn im Gameplay erst finden, eventuell seine Untergebenen ein bisschen töten, in die Organisation intervenieren, und dann am Ende ein ultimatives Battle gegen ihn führen? Wieso wird Vaas die ganze Zeit als Nemesis stilisiert - immerhin hat er Bruder und Freund des Protagonisten getötet - und als er dann tot ist, wird der andere plötzlich interessant? Und was geht dem Protagonisten das wirklich an - immerhin war das Hauptmotiv "Rache"? Da kommt das ganze "mystische" ins Spiel - diese mystische, psychodelischen Sequenzen, die aus irgend einem Grund ständig in die Geschichte einfließen. Ok, ich verstehe - ich bin offenbar die Reinkarnation eines großen Inselkriegers. Deswegen bekomme ich auch immer neue Tattoos und bin einfach "awesome". Aha, offenbar entschließe ich mich, nicht mit meinen Freunden die Insel zu verlassen, sobald Vaas tot ist, auch komisch. Aber dass dann lauter psychodelische Sequenzen sind, wo ich mystische Monster mit Pfeil und Bogen besiegen muss, und die Tötungsszene von Vaas sich auch mehr im Traum als sonst wo abspielt, passt mir nicht wirklich. Das macht für mich das Spiel zu "nicht Fisch, nicht Fleisch". Ist es jetzt eine Fantasiekriegergeschichte, wo es um Wiedergeburten und was-weiß-ich was geht, oder ein realistisch gehaltener, beinharter Befreiungskampf gegen die Terrorherrschaft von Piraten?

Meiner Meinung wäre es besser, von "Citra", der Chefin der Widerstandsbewegung, weniger mystischen Bullshit zu hören und vielleicht einmal effektive Unterstützung bei der Befreiung der Piraten-Außenposten zu erhalten. Wie gesagt, ich bin kein Progamer, ganz im Gegenteil. Soweit konnte ich alle Außenposten mehr oder weniger erfolgreich befreien, manchmal ging es einfach, und beim einen oder anderen sterbe ich jedes Mal. In der Ruine von Citra hängen immer jede Menge Befreiungskämpfer herum, und ist der Außenposten erst einmal befreit, kommen sie auch angerannt und erzählen dir, was du alles machen kannst. Für manche Profis hier ist es sicher nicht nachvollziehbar, aber ich hätte manchmal schon gerne Unterstützung bei solchen Gefechten - und wieso nicht von dieser Seite? Das war ja schon bei GTA - San Andreas möglich - man konnte Gangmitlieder rekrutieren und dann mit dieser Unterstützung dem Feind einheizen.

Naja. Dass in jeder Schatzkiste Geld liegt, selbst, wenn sie in seit 1000 Jahren versiegelte Höhlen herumstehen, dass der Waffenwechsel von Granate auf Molotovcocktail eher umständlich ist, dass viele Spritzen, die man aus Blättern herstellen kann, nicht wirklich viel Sinn ergeben und nur Platz verstellen, den man mit Medipacks auffüllen könnte, und dass irgendwann dank der mystischen Fähigkeiten Medipacks völlig sinnlos sind, weil man sich jederzeit selbst heilen kann, sind da nur kleinere Störgeräusche. Im Endeffekt muss ich sagen, dass Far Cry 3 kein kompletter Reinfall ist, aber auch alles andere als "das" Spiel. Leider muss ich sagen, dass es mich bei weitem nicht so gefesselt hat, wie ich es erwartet hätte - es ist kein schlechtes Spiel! Aber auch nicht das beste Spiel aller Zeiten.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Österreich erkämpft sich ein 0-0 in Astana

Herbert Prohaska meine in seiner Rolle als ORF Analytiker völlig richtig: „Wir hätten das Spiel gewinnen, aber auch verlieren können“. Wie das mit einem Unentschieden eben so ist. Freilich kann das Ergebnis kein befriedigendes sein, ist Kasachstan auf der viel zitierten und immer noch wenig aussagekräftigen FIFA Weltrangliste irgendwo im Nirgendwo, während Österreich immerhin fast „unter ferner liefen“ platziert ist.

Die österreichische Mannschaft – wieder mit Alaba auf der rechten Seite, obwohl das gegen Aserbaidschan nicht so ganz aufgegangen ist – begann ambitioniert, laufstark, und versuchte durch schnelle Kombinationen zum gegnerischen Tor vorzuarbeiten. Der erste Torschuss, nicht lange nach dem Anstoß durch Dag, fast im Gegenzug der erste Eckstoß für die Kasachen, es begann mit einem munteren hin und her.

Nun war in den ersten 15 Minuten das Spiel schön anzusehen, auch wenn es zunehmend zerfahren wurde – mit hohem Tempo kam hohe Ungenauigkeit, und eine Ballverlustorgie stellte sich ein, die die Stürmer vorne verhungern ließ. Arnautovic, heute nicht unauffällig laufstark, holte die Bälle oft aus dem Mittelfeld, konnte sich aber auch nicht entscheidend gegen die kasachische Mauer durchsetzen. Im Endeffekt fehlte der letzte entscheidende Pass in die Spitze, um Janko gefährlich einzusetzen. Die erste Kopfballchance hatte Janko erst in der Mitte der zweiten Halbzeit.

Die Mannschaft nahm Tempo aus dem Spiel, kontrollierte es und kombinierte bedachter, vorsichtiger – trotzdem fehlte die Durchsetzungskraft nach Vorne. Im Gegenzug vermochten es die Kasachen, aus den häufigen Ballgewinnen nicht ungefährlich zu kontern, wobei in der ersten Halbzeit zwingende Torchancen allerdings ausblieben. Ekrem Dag hingegen hatte in der ersten Halbzeit gleich zwei gute Torchancen, konnte allerdings nicht erfolgreich abschließen – trotzdem war sein offensives Engagement bemerkenswert, auch wenn er in der Defensive wenig ballsicher war.

Alles in allem eine doch unterhaltsame erste Halbzeit, auch wenn es die neuesten ORF-Experten, Peter Simonischek und Michael Schottenberg das Spiel als langweilig empfanden. Schinkels hingegen behauptete, der zweite Gegner der Kasachen sei neben der österreichischen Abwehr der Ball selbst – und wurde in der zweiten Halbzeit doch eines besseren belehrt. Einzig Mählich zeichnete sich durch qualifizierte Kommentare aus.

Im Großen und Ganzen ließ die Mannschaft das Engagement der ersten Halbzeit im weiteren Spielverlauf schuldig – zwar konnte Fuchs ungefähr um die 46. Minute herum den kasachischen Torhüter durch eine Flanke direkt aufs Tor prüfen, doch das war für lange Zeit die einzige zwingende Torchance. Ivanschitz und Fuchs konnten auf der linken Seite flanken, was sie wollten – ihre Bälle fanden keine Abnehmer. Saubere und präzise Pässe auf die Stürmer fehlten, die Bälle wurden schon vorher leichtfertig vergeben, was den Kasachen bei ihrem Konterspiel sehr unterstützte. Zwischen der 50. und der 55. Minute kam es durch Arnautovic zur größten Chance bisher – ein schöner Sololauf, schönes Dribbling, doch vor dem Tor vergab er kläglich.

In weiterer Folge wurde Österreich in die Defensive gedrängt, denn bei den Kasachen kamen Pässe an, die nicht ungefährlich werden konnten. Dank Grünwald und der gut eingestellten Innenverteidigung, insbesondere Dragovic spielte stark, konnte ein Gegentor verhindert werden. Die Kasachen hatten dennoch die zwingenden Chancen, während die Österreicher die Bälle vergaben, verschenkten oder im ständigen Gewühl des kasachischen Strafraumes nie zum erfolgreichen Abschluss kamen. Ungefähr 15 Minuten vor Schluss, die größte Chance für Kasachstan, die Zentralasiaten versagten an der österreichischen Latte.

Ein unterhaltsames Unentschieden, das beinahe wie das Hinspiel geendet hätte – Janko traf in der Nachspielzeit, das Tor wurde allerdings aberkannt. Schlussendlich endet die Qualifikation nicht ganz zufriedenstellend, hatte man sich gegen die Kasachen mehr erwartet – jedoch sollte man nicht unglücklich über den Punkt sein, denn es hätte auch mit einer Blamage gegen den Tabellenletzten der Gruppe setzten können.

Marcel Koller hat sicherlich heute mehrere Notizblöcke vollschreiben können, es gibt einiges zu tun. Abhaken und arbeiten heißt nun die Devise, gegen die Ukraine beginnt wieder einmal eine neue Zeitrechnung. Nur bitte, nicht schon wieder einen kompletten Neubeginn.

Den hatten wir in den letzten Jahren doch recht häufig – Neubeginn mit der damit verbundenen Standardausrede „das Team muss noch entwickeln“. Der erste Neubeginn mit Hans Krankl, der 2002 das Team übernommen hatte, unter ihm mussten sich die neuen Spieler erst entwickeln. Mit Hickersberger wurde weiterentwickelt, mit Brückner zurückentwickelt und mit Constantini seitlich entwickelt – nun sollte die Entwicklungsphase langsam, aber sicher doch ein Ende haben.

Denn selbst die jüngsten im Team sind keine Rookies mehr – von Alaba, der bei Bayern München spielt, gemeinsam mit Spielern wie Robben, Schweinsteiger und Ribery und mittlerweile schon 14 Länderspiele absolviert hatte, kann man sich – wie man in den letzten Spielen auch gesehen hat – sehr viel erwarten. Fuchs hat bereits 44 mal das Länderspieltrikot getragen, ist 25 und auf Schalke einer der Leistungsträger – vermutlich ist er jetzt gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Arnautovic ist 22, und Spieler in dem Alter gelten normalerweise schon als gestanden, weniger als „jung“. Dieser Teamkader ist nicht schlecht, mit diesen Spielern kann man durchaus einiges erwarten – und das sollte man sich auch. Denn jetzt ist der Zeitpunkt da, wo Ergebnisse vorzuweisen sind, und man nicht mehr „Entwicklung“ als Ausrede vorlegen kann. Neun Jahre Entwicklung sind genug.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Ende gut - 4-1.

Über weite Strecken überzeugend spielte das Team in Aserbaidschan – am Tag der multiplen Comebacks. Die auffälligste Leistung erbrachte ausgerechnet der von Constantini jahrelang geschmähte Andreas Ivanschitz, der das erste Tor selbst erzielte, und dem in den letzten Spielen umstrittenen Marc Janko bei seinem Doppelpack assistierte. Ivanschitz spielte, Janko traf, Österreich gewann auswärts, Teamchef Ruttensteiner – vier Comebacks an einem Tag. Kein unerfreulicher Tag für den ÖFB. Bei einem hohen Auswärtssieg wie diesem kann man gerne darüber hinwegsehen, dass in der ersten Hälfte - bis zum Platzverweis von Junisoglu wegen Vereitelung einer Torchance - nicht viel ging.

In der auf das Match folgende stundenlangen Diskussion auf ORF Sport + erkannte Roman Mählich folgerichtig, dass es spätestens beim Assist von Ivanschitz Constantini „aus seinem Fernsehsessel gehaut haben muss“. Überhaupt schien Roman Mählich als einer der wenigen in dieser illustren Runde noch bei Trost gewesen zu sein. Denn er als einziger äußerte sich überwiegend positiv über Marcel Kollers Verpflichtung – während Prohaska gleich einwarf, es sei nichts desto trotz besser gewesen, jemanden mit mehr Know-How über den österreichischen Fußball, mit mehr Kenntnissen über die Strukturen des ÖFB zu holen.

Darin erkenne ich einen Widerspruch. Denn um den österreichischen Fußball endlich zum Erfolg zu führen, müssen zweifellos alle bisher bestehenden Strukturen hinterfragt und verändert werden. Frage – wer schafft das besser: jemand, der in denselben seit Jahren verwickelt ist oder ein Außenstehender, mit Erfahrung in anderen Ländern und Ligen? Prohaskas Verhalten lässt vermuten, dass er den Status Quo um jeden Preis beibehalten möchte.

Frenkie Schinkels befürchtet, bei Marcel Koller handelt es sich am Ende um einen Ja-Sager, der alle Entscheidungen der Chefetage willenlos befolgt. Doch wer tendiert mehr zum Ja-sagen – ein seit Jahren im System verwickelter Mitarbeiter oder ein von außen geholter Mann, dessen Mission es ist, das Team wieder zum Erfolg zu führen? Ricardo Moniz meinte sofort, dass Schinkels in dieser Hinsicht keine Angst haben müsse.

Ivanschitz konnte sich nach dem Spiel einen Seitenhieb auf Constantini nicht verkneifen – wieso sollte er auch. Er lobte Sportdirektor und Interimsteamchef wegen seiner Arbeit, er habe in den wenigen Tagen System in die Mannschaft gebracht und viele Spieler wachgerüttelt. Auch wenn er sonst nicht viel sagen könne, weil er ja vorher nicht dabei gewesen sei. Ruttensteiner – auch er feierte ein Comeback. Bereits nach dem vorzeitigem Ende der Ära Krankl durfte er – gemeinsam mit Andreas Herzog und Franz Wohlfahrt – das Team für die letzten beiden Spiele der WM Qualifikation 2006 gegen England und Nordirland coachen. Das Team spielte damals in England, im Old Trafford in Manchester nicht schlecht, verlor knapp 0-1; gegen Nordirland gelang ein 2-0 Sieg. Ruttensteiner, ein Feuerwehrmann für Übergangszeiten, machte seine Sache nicht schlecht, ebenso wenig wie jetzt.

Aber zurück zur Diskussionsrunde im ORF. Fast drei Stunden unterhielten sich die illustren ORF – Experten: Werner Gregoritsch, der weit ausschweifende und etwas verworrene Ansprachen hielt, die immer wieder in der Aussage „in Österreich gibt es gute Trainer“ gipfelte.

Prohaska, der Werbung für Andi Ogris und Stimmung gegen Ruttensteiner machte, weil er Ogris keinen Job im ÖFB gegeben hatte – obwohl er doch die höchste Ausbildung und Trainerlizenz hat und jeder Zeit Real Madrid oder Barcelona trainieren könnte. Wenn man ihn nur ließe!

Toni Polster, der zu spät und offenbar angetrunken erschien, und nur erzählte, dass die Leute in der Kantine des SC Wiener Viktoria furchtbar enttäuscht von der Teamchefwahl sind, und er selbst die Entscheidung auch nicht nachvollziehen konnte.

Frenkie Schinkels und Ricardo Moniz schienen die meiste Zeit am Thema vorbei zu reden. Schinkels hielt einen Vortrag, dass in Österreich „Fußball nicht gespielt“ werde sondern viel zu viel Wert auf „Leichtathletik“ gelegt werde. Die körperliche Fitness sei überbewertet, wenn die Arbeit am Ball nicht ordentlich funktioniert. Interessanter Standpunkt, bei dem ich mir vorstellen würde, wie erfolgreich ein Team mit 11 Arnautovics wäre. Vermutlich cool anzusehen, aber wenig erfolgreich.

2005, als Herzog mit Ruttensteiner und Wohlfahrt für zwei Spiele Teamchef sein durfte, brachte er eine interessante Idee ein, basierend auf seinen Erfahrungen in den USA: dort besteht der Trainerstab aus einem Headcoach, einem Trainer für die Defensive und einem für die Offensive. Herzog meinte damals, dass ein ehemaliger Spieler wie Polster den aktuellen Stürmern bessere Tipps geben könne als er selbst als ehemaliger Mittelfeldspieler.

Interessante, auch logische Idee – wenn man bedenkt, dass der ehemalige Trainerstab ausschließlich aus ehemaligen Defensivspielern bestand, könnte man auch einen Zusammenhang mit der Stürmerkrise im ÖFB herstellen, allerdings wäre das zu spekulativ. Trotzdem kann man auf den zukünftigen Trainerstab von Marcel Koller gespannt sein. Und auch, welche Rolle Ruttensteiner, von vielen völlig verkannt (diese Alliteration muss man sich live geben) spielen wird – nach den letzten Ereignissen bleibt zu hoffen, dass er nicht zu sehr in der zweiten Reihe verschwindet und seine Zusammenarbeit mit Koller eine erfolgreiche sein wird.

Samstag, 8. Oktober 2011

Marcel Koller und die wilden 78er

Nichts gutes brachte der – aus sportlicher Sicht gesehen – völlig bedeutungslose Sieg von Österreich über Deutschland bei der WM 1978. Außer der Tatsache, dass das Ergebnis von 3-2 bis heute künstlich hochstilisiert wird. Dies führt zu Ermüdungserscheinungen bei Menschen, die bei dem Spiel noch nicht auf der Welt waren – ich zum Beispiel bin neun Jahre später auf die Welt gekommen und halte das öffenlich Festhalten an diesem längst verjährten Ereignis in der österreichischen Medienlandschaft für peinlich: ein Medienhype über ein Jahrhundertereignis, das keines war.

In der allgemeinen, seit 33 Jahren anhaltenden Euphorie der daran Beteiligten scheint es völlig selbstverständlich zu sein, dass diese alleine die Macht im österreichischen Fußball innehaben. Prohaska, Krankl, Hickersberger, Schachner – bei jeder Teamchefdiskussion in Österreich führen sie das große Wort oder sind selbst im Gespräch, teilweise durch selbstlose Eigeninitiative.

Als ÖFB Präsident Leo Windtner im August den damaligen Teamchef Dietmar Constantini kritisierte, er möge „mehr über den Tellerrand blicken“ und weniger „im eigenen Saft kochen“, konnte das auch als Generalkritik am gesamten ÖFB verstanden werden. Viele neue, junge, talentierte Spieler entwickeln sich, spielen bei ihren Vereinen größere oder kleinere Rollen, in der starken deutschen Bundesliga spielen so viele Österreicher wie nie zuvor, doch die Entwicklung des Nationalteams stagniert – in der EM Qualifikation bleibt wohl nur der vierte Platz. Eine Enttäuschung, wenn man bedenkt, dass die Leistung des Teams gegen Kontrahenten wie Deutschland oder Belgien nicht immer schwach waren – allerdings immer jeweils für nur ein Spiel. Auswärts in Belgien ein packendes und spannendes Spiel, Ergebnis 4-4; der österreichische Fußballfan stand vor lauter Aufgegung auf seinem Sofa. Daheim gegen Deutschland, gute Leistung, knappe Niederlage: 1-2, Doppelpack Gomez. Und das war es auch schon.

Constantini, der seine Kader nach Sympathie zusammenzustellen schien – Ivanschitz konnte in Mainz hervorragend spielen und die Netze in Überform zerschießen und wurde nicht berücksichtigt – kam nach der völlig missglückten und kurzen Ära von Karel Brückner, dessen Verpflichtung ein Armutszeugnis österreichischen Missmanagements war, als Heilsbringer, doch die heiß ersehnte positive Entwicklung des Teams blieb aus. Dabei ist das Spielermaterial das beste seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Fuchs, auf seiner Position einer der Besten der deutschen Bundesliga – dazu noch auf einer Position, die nicht jeder spielen kann, als linker Verteidiger; Alaba, eines der größten Talente, die es in Österreich je gab; Ivanschitz, der in Mainz zum Höhenflug in der Hinrunde der letzten Saison nicht gering beigetragen hatte – dieses Formhoch konnte im Team nicht ausgenützt werden, weil er gar nicht einberufen wurde; Arnautovic, das schlampige Genie, aber alles andere als unbrauchbar, wenn er einen Trainer hat, der weiß, wie man mit ihm umgeht; Prödl, der im letzten Jahr von der Verletzungsmisere bei Werder Bremen profitierte, als fast die gesamte Defensive ausfiel, und sich so einen Stammplatz erspielte; Harnik, der in Stuttgart rennt wie um sein Leben und trifft wie am Fließband. Vergessen darf man auch nicht Jimmy Hoffer, der sich zwar weder in Neapel, noch in Kaiserslautern, noch in Frankfurt durchsetzten konnte, aber mit seiner Schnelligkeit noch jeden Verteidiger in Verlegenheit bringen kann. Oder Ümit Korkmaz, der letzte Saison in Bochum zeigen konnte, was er eigentlich drauf hat – wenn man ihn spielen lässt. Diese Liste lässt sich durchaus noch weiter führen, wenn man auch routinierte Spieler berücksichtigt. Martin Stranzl zum Beispiel kam in der letzten Winterpause zu Borussia Mönchengladbach und trug durch gute Leistungen zum Klassenerhalt bei – und stopfte die löchrige Abwehr. Unter Constantini erklärte er seinen Rücktritt, ein Jammer, denn einen Spieler mit dieser Erfahrung kann dem Team immer weiterhelfen.

Constantini ist gescheitert, Windtner ließ sich Zeit, um einen Nachfolger zu nominieren – und traf eine goldrichtige Entscheidung: Marcel Koller. Ein Fachmann, ein akribischer Arbeiter, ein Taktiker, der ein Händchen für Jugendarbeit hat. Der Entdecker von Lukas Podolski, der mit Köln ab- und Bochum aufstieg und in weiterer Folge auf den sensationellen achten Platz führte, wird neuer österreichischer Teamchef. Und das rief die sogenannte 78er Generation auf den Plan, indem sie Koller medienwirksam in der Luft zerriss, bevor er einen Tag im Amt war.

Herbert Prohaska, der erfolgreichste Teamchef aller Zeiten, der in sechs Jahren Amtszeit eine Qualifikation überstand – für die WM 1998, in der es zu zwei Unentschieden und einer Niederlage kam – meinte in Österreichs größter Tageszeitung, dem Kleinformat „Kronen Zeitung“, dass es „bei uns“ genügend Trainer dieser Art gäbe. Er verweist außerdem auf Andreas Herzog, der sicherlich einen guten Job als Teamchef machen könne, und nennt als Beweis die Arbeit von Dietmar Kühbauer, der als Trainer von Admira Wacker Mödling gerade als Aufsteiger sensationell auf dem ersten Tabellenplatz steht. Außerdem kritisierte Prohaska die Tatsache, dass Koller die letzten beiden Jahre arbeitslos war und sich vermutlich nicht viel mit dem österreichischen Fußball beschäftigt hat.

Prohaska hat Recht: Trainer gibt es in Österreich wirklich viele. Aber auch Trainer wie Marcel Koller, der als Spieler sieben Mal Meister, fünf mal Cupsieger wurden, an der EM 1996 in England teilnahmen, für die sich Österreich nicht qualifizierte, insgesamt 55 Länderspiele absolvierten, als Trainer mit zwei verschiedenen Mannschaften Meister wurden und sechs Jahre als Trainer in Deutschland arbeiteten? Die Tatsache, dass Koller zwei Jahre arbeitslos war, stimmt vielleicht, wenn er auch bestimmt nicht beschäftigungslos gewesen ist. Er hospitierte bei anderen Trainern, bildete sich fort und lernte Sprachen. Und viele Trainer auf der Kandidatenliste des ÖFB haben sich vermutlich noch nie mit dem österreichischen Fußball auseinandergesetzt – Lars Lagerbäck zum Beispiel. Dem hätte Prohaska das freilich verziehen.

Kurt Jara meldete sich zu Wort, er habe als Trainer im Ausland mehr erreicht als Koller. Das Anforderungsprofil hätte genau auf ihn zugetroffen – und er zeigte sich enttäuscht, dass kein „Kapazunder“ gekommen sei, sondern ein No-Name.

Für Jara sicherlich eine Enttäuschung, dass ein „No-Name“ ihm vorgezogen wurde. Allerdings – wer ist denn Kurt Jara? Seine letzten relevanten Stationen waren der HSV, Kaiserslautern und Red Bull Salzburg – bei beiden deutschen Bundesligisten wurde er wegen Erfolgslosigkeit entlassen, bei Kaiserslautern war er Gegenstand von Fanprotesten, und bei Red Bull Salzburg war er in der ersten Saison des Vereins tätig, wurde zweiter und aufgrund von „Ungereimtheiten bei Transfers“ entlassen. Seit dieser Entlassung – im Frühling 2006 – prozessiert Jara gegen Red Bull.

Auch Frenkie Schinkels hatte medienwirksam etwas zu sagen, auch er wies darauf hin, dass Koller unbekannt sei. „Koller“ sei „kein Name“. „Mit Bochum spielte er meist gegen den Abstieg.“ Er bekannte außerdem, dass er hätte lieber Franco Foda, Kurt Jara oder Andreas Herzog gesehen hätte.

Der weltbekannte Frenkie Schinkels, der als Analytiker eine erfreuliche und amüsante Alternative zum eher nicht eloquenten und telegenen Manfred Zsak darstellt, der sich während der WM 2010 zur Empörung vieler in Alltagsrassismus übte (über Koman Coulibaly, FIFA-Schiedsrichter: „Es ist traurig genug, dass ein Mann aus Mali so ein Spiel pfeift ... dort wird sicher ein ganz anderer Fußball gespielt“) und in der „Trottel-Causa“ mit Franz Wohlfahrt verwickelt war (ÖFB-Pressekonferenz vor dem Deutschland-Match), vergisst dabei aber, dass der ÖFB mit bekannten Namen nicht besonders gut gefahren ist. Nach der EM 2008, für die sich Österreich dank der Wild Card als Veranstalter qualifizierte, hatte Josef Hickersberger keine Lust mehr, sich mit den Querschüssen von sogenannten Experten auseinanderzusetzen, und ließ sich lieber in der Wüste viel Geld bezahlen. Als Nachfolger präsentierte der damalige ÖFB Präsident Stickler freudenstrahlend die tschechische Trainerlegende Karel Brückner, und versprach, dass es keinerlei Sprach- oder Kommunikationsschwierigkeiten geben werde. Trotzdem wurde eine Woche später Ján Kocian
als Co-Trainer und Dolmetscher verpflichtet. Brückner zog auch nicht nach Wien, sah sein Büro im Ernst-Happel-Stadion kaum von innen und beobachtete Spieler fast ausschließlich per DVD und so gut wie nie persönlich. Er ließ sich auf wahnwitzige Experimente ein und brachte Jimmy Hoffer im rechten Mittelfeld, und nach der anfänglichen Euphorie, ausgelöst durch ein Unentschieden gegen Weltmeister Italien und einen Sieg gegen Frankreich, folgten Klatschen gegen Serbien oder blamable Spiele auf den Färöer-Inseln (1-1). Constantini folgte nach, und hier schließt sich wieder der Unglückskreis.

Man darf nicht vergessen, dass unter Hickersberger penibel und professionell gearbeitet wurde. Die Ergebnisse blieben aus – doch eine Entwicklung war vorhanden. Roger Spry wurde als Fitnesstrainer verpflichtet, der die Spieler mit persönlichen Trainingsplänen ausstattete – doch leider hielten die Wenigsten sich daran. Voraussetzung für eine Vertragsverlängerung mit Hickersberger wäre auch Roger Spry gewesen – Spry blieb, Hickersberger ging und Brückner fing mit dem renommierten Fitnesstrainer nichts an. Ein Jammer, da hat man einen Fachmann auf seinem Gebiet in seinen Reihen, und niemand will davon profitieren.

Koller ist als Arbeitsbiene bekannt – und genau das braucht der ÖFB. Am 6.10. postete Koller auf seiner facebook-Seite zwei Videos: auf einem ist er zu sehen, wie er das U21 Match Österreichs gegen die Niederlande verfolgt, auf dem anderen bedankt er sich bei seinen 2000 facebook-Freunden für die Unterstützung und die aufmunternden Worte, die auf seiner Seite gepostet wurden. Viel Engagement für Koller, dessen Vertrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft war.

Denn nicht alle Fans des österreichischen Fußballs waren der Meinung der sogenannten Legenden oder ließen sich beeinflussen. Viele haben die „Freunderlwirtschaft“ im ÖFB satt und freuen sich, dass ein neuer, neutraler und außenstehender Fachmann kommt, der objektiv Probleme ansprechen kann und entsprechende Maßnahmen ergreifen kann.

Constantini reagierte verschnupft, als ein Journalist der Defensive Konzeptlosigkeit vorwarf, brach die Pressekonferenz ab. Es folgte die „Trottel-Causa“ - Zsak fragte Wohlfahrt, was mit „dem mit dem Kapperl“ sei, ob er „fett“ ist. Wohlfahrt antwortete mit „Trottel“. Wenige Tage später kassierte das Team sechs Gegentore. Das war die Führung des österreichischen Nationalteams, unprofessionell, dass es zum Himmel schreit – und mit Koller hat das hoffentlich ein Ende.

Doch mit der Bestellung Kollers alleine ist es nicht getan. Der ÖFB muss professioneller werden und jeder, der ein Amt im Fußballbund innehat, muss hinsichtlich seiner Tätigkeit für den internationalen Spitzenfussball hinterfragt werden. Die Strukturen des ÖFB müssen – wenn möglich nach Vorbild des DFB - modernisiert werden, und dafür muss auch das passende Personal her. Denn ob Alteingesessene, wie zum Beispiel Generaldirektor Alfred Ludwig, der bei der versuchten Einbürgerung von Rapid-Kapitän Steffen Hofmann mit den FIFA-Statuten durcheinandergekommen ist, solch eine Modernisierung mitmachen oder mitmachen können, ist zu bezweifeln.

Lippenbekenntnisse allein reichen da nicht aus. Die Jugend muss verstärkt gefördert werden. Möchte man mit den großen, deutschen Nachbarn in ernsthafte Konkurrenz treten, dann muss man anfangen, von ihnen zu lernen. Deutsche Bundes- und Zweitligisten müssen im Zuge des Lizenzierungsverfahrens ein Jugendleistungszentrum nachweisen – das bedeutet, dass die Jungendmannschaften drei Trainingsplätze, davon zwei mit Flutlicht, zur Verfügung haben müssen, sowie auch einen eigenen Trainerstab und medizinische Betreuung. In Österreich sind solche Bedingungen nur aus Gutdünken von Mäzenen entstanden – die Stronach Akademie in Hollabrunn, mittlerweile wieder eingestellt, weil Frank Stronach keine Lust mehr hatte, und die Red Bull Fußballakademie, ein Prestigeobjekt von Didi Mateschitz. Oder sie sind über Jahrzehnte gewachsen – Admira Wacker Mödling hat traditionell eine hervorragende Jugendarbeit, auch bedingt durch die günstige Lage am Bundessportzentrum in der Südstadt.

Doch es reicht nicht, wenn die Hälfte aller Bundesligisten hervorragende Bedingungen für Jugendmannschaften stellen. Es muss für jeden professionellen Fußballverein selbstverständlich sein, eine gut ausgebaute Jugendakademie zu haben, nach deutschem Vorbild. Natürlich ist es verständlich, wenn sich kleine Vereine wie Karpfenberg, Ried oder Mattersburg, die Mühe haben, den alltäglichen Spielbetrieb in der Bundesliga zu finanzieren und nebenbei noch konkurrenzfähig zu sein, solche Anlagen nicht leisten können – in dem Falle wäre es für österreichische Verhältnisse schon ausreichend, wenn es eine Fußballakademie pro Bundesland gäbe – gefördert vom ÖFB und eventuell von Vereinen, die sich in der Umgebung befinden und vom Nachwuchs profitieren können.

So bleibt zu hoffen, dass durch die Bestellung von Marcel Koller zum Teamchef in Österreich eine Initialzündung zu einer besseren Zukunft auslöst – denn in den letzten 33 Jahren seit dem Wunder von Cordoba hat sich nichts getan, außer, dass sich die sogenannten Legenden kollektiv auf die Schulter geklopft haben. Es wird nun Zeit für grundlegende Änderungen im österreichischen Fußball, um endlich konkurrenzfähig zu werden.


Lenny Dokalik, 07.10.2011